Deutschland braucht mehr Chemie Start-ups – Die wichtigsten Tipps für Chemie-Gründer
22.04.2020
Chemie Start-ups sind unerlässliche Inkubatoren für Innovation und Digitalisierung innerhalb der Branche. Ihre Produkte und Dienstleistungen ermöglichen unseren Alltag, denn 97 Prozent der Produkte, die wir täglich nutzen, enthalten mindestens einen chemischen Zwischenschritt.[1] Blickt man aber auf die Zahl der Neugründungen in der Chemiebranche, ergibt sich ein optimierungsbedürftiges Bild. Während in den 80er und 90er Jahren die Unternehmensgründungen stark anstiegen – vor allem im Bereich Genetic Engineering – ist die Zahl heute zurückgegangen.[2] 2019 gab es beispielsweise nur 11 Chemie-Neugründungen in Deutschland.[3] Grund könnten branchenspezifische Herausforderungen sein. Wie Chemie Start-ups diese Hürden überwinden können und wo sie Hilfe bekommen, erfahren Gründer aus der Branche in diesem Beitrag.
Chemie Start-ups und Großkonzerne – wie können beide Seiten voneinander profitieren
Im Gegensatz zu Start-ups aus anderen Fachbereichen brauchen Chemie Start-ups schon zu Beginn mehr als ein Notebook. Zugang zu Equipment und Laboren ist wichtig, damit Start-ups aus der Branche ihre Arbeit aufnehmen können. Hier kann vor allem eine Zusammenarbeit mit großen Unternehmen helfen. Diese stellen Infrastruktur bereit und können auch mit Fachwissen weiterhelfen. Darüber hinaus bietet eine solche Kooperation Start-ups die Chance, neue Kundengruppen zu erreichen. Die Zusammenarbeit ist dabei eine Win-Win-Situation, denn auch Konzerne profitieren davon: Gründerteams sind dynamisch, erkennen schnell Kundenprobleme und unterstützen mit innovativen Ansätzen bei deren Lösung. Leider funktioniert die Kooperation aber nicht immer so, wie es sich beide Parteien wünschen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum Beispiel kann die Zusammenarbeit bereits an ihrer Komplexität scheitern und zwar dann, wenn beispielsweise unterschiedlichste Kulturen, Prozesse oder Führungsstile aufeinandertreffen. Damit die Kooperation trotz allen Hindernissen funktioniert, ist strategisches Vorgehen bei der Auswahl des richtigen Partners wichtig: Eine Liste mit wichtigen Kriterien, die der Partner mitbringen sollte und eine Aufstellung der Punkte, die man selbst leisten kann, räumen falsche Erwartungen bereits von Vornherein aus. Eine klare Absprache ist gerade in der Chemie-Branche besonders wichtig, denn hier kommen deutlich höhere Eintrittsbarrieren auf Start-ups zu, als in weniger regulierten Branchen. Entsprechend werden auch ein hohes Maß an Finanzmitteln oder Ressourceneinsätzen nötig, um Meilensteine zu erreichen. Für Großunternehmen heißt das: Ein langer Atem ist wichtig, damit sich die Kooperation letztendlich auszahlt. Dennoch sind Kooperationen vor allem für innovationsorientierte Unternehmen wichtig, um global wettbewerbsfähig zu bleiben – genau hier liegt die Chance von Gründerteams. Damit potenzielle Kooperationspartner überhaupt auf Gründerteams aufmerksam werden, lohnt sich die Teilnahme an Messen, Pitch-Events, Accelerator-Programmen oder Businessplan-Wettbewerben wie dem Science4Life Venture Cup.
Patente: Das müssen Chemie Start-ups bei der Gründung wissen
Gerade im komplizierten Bereich des Patentrechts stoßen Chemie-Start-ups oft an ihre Grenzen. Nur 25 Prozent der Chemie-Start-ups in Deutschland haben ein Patent angemeldet. Dabei sind Patente eines der wichtigsten Schutzschilder für die eigene Geschäftsidee. Deshalb sollten sich Gründerteams mit den Optionen und Regularien zum Schutz ihres geistigen Eigentums auseinandersetzen. Dabei ist es sinnvoll, so früh wie möglich folgende Fragen für sich zu beantworten:
Überschneidet sich das eigene Geschäftsmodell mit Patenten der Konkurrenz?
Wie kann ein Patent auf die eigene Idee aussehen?
Welche Voraussetzungen müssen für den Patentantrag erfüllt sein?
Wie groß soll der Schutzumfang sein und wie kann dieser begründet werden?
Getreu dem Motto: Wer zuerst kommt, malt zuerst, empfiehlt Science4Life-Experte Patentanwalt Dr. Georg J. Hoppe, so früh wie möglich ein Patent anzumelden. Dazu muss die Idee so beschrieben sein, dass sie für einen Fachmann ausführbar ist. Der Schutzumfang muss außerdem durch mehrere praktische Beispiele für die Erfindung gerechtfertigt werden. Oft ist es aber auch sinnvoll, erst nach einer frühen ersten Anmeldung ein zweites Patent einzureichen, rät der Experte: „Wenn beispielsweise für einen in der ersten Patentanmeldung beschriebenen chemischen Stoff ein weiteres Syntheseverfahren gefunden wird, kann man dieses Syntheseverfahren in die zweite Patentanmeldung neu aufnehmen.“ Gründer sollten sich außerdem bewusst sein, dass alleine von der Anmeldung bis zur Erteilung des Patents mehrere Jahre vergehen können. In dieser Zeit besteht noch kein Anspruch auf Schadenersatz oder Unterlassung einer patentverletzenden Handlung – lediglich eine angemessene Entschädigung kann verlangt werden. Für Start-ups bedeutet das: Das Anmeldeverfahren sollte schnell vorangetrieben werden. Regelmäßige Patentrecherchen runden ein taktisch kluges Vorgehen ab: Sie informieren über Wettbewerber und relevante Märkte. Solche Recherchen können beispielsweise online über die Datenbank des Deutschen Patent- und Markenamts durchgeführt werden.
So kommen Chemie Start-ups an Kapital für die Gründung
Auch die Finanzierung ist für Start-ups aus der Chemie-Branche ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Gerade bei der Ausstattung mit Wagniskapital ist bei deutschen Chemie Start-ups noch deutlich Luft nach oben: Nur 24 Prozent weisen Beteiligungen durch Wagnis-Kapitalgeber auf. Woran das liegen kann? Wagniskapitalgeber haben besonderes Interesse an Start-ups, die Patente angemeldet haben. Immerhin haben sich die Hälfte der unterstützen Start-ups ihre Idee schützen lassen. Abgesehen vom klassischen Investor gibt es noch weitere Möglichkeiten, um als Start-up an Kapital zu kommen. Vor allem in der frühen Phase beteiligen sich beispielsweise Business Angels mit Investments zwischen 25.000 und 250.000 Euro – im Gegenzug erhalten sie Anteile am Unternehmen. Gründer sollten sich vorab aber intensiv über den Business Angel informieren: Investiert er oder sie regelmäßig in Start-ups? Was berichten andere Gründerteams über die Zusammenarbeit und in welcher Branche ist der Business Angel gut vernetzt? Wer sich vorstellen kann, mit einem Unternehmen zu kooperieren, für den können Accelerator-Programme der richtige Weg zur Finanzierung sein. Hinter der Förderung steht nämlich in den meisten Fällen ein Unternehmen, das neben Kapital auch Office Spaces, Mentoring oder die Möglichkeit zu einem Pilotprojekt anbietet. Gerade hier ist es für Start-ups wichtig, sich im Vorfeld genau über die Bedingungen des Accelerators zu informieren und zu definieren, welche Rechte eventuell abgetreten werden müssen. Auch Crowdinvesting, Crowdfunding und (Micro-)Venture-Capital-Fonds können gute Möglichkeiten für die Kapitalbeschaffung sein. Was dabei zu beachten ist und wo Vor- und Nachteile liegen, ist in diesem Blog Beitrag zusammengefasst.
Science4Life unterstützt Chemie Start-ups bei der Gründung
In Anbetracht der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz von Chemie Start-ups, müssen Deutschlands rückläufige Gründungszahlen aktiv angegangen werden. Denn vor allem im Rahmen der Digitalisierung agieren Chemie Start-ups oft als Schnittstelle zwischen traditioneller Chemie und digitaler Anwendung. Auch die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 34 Prozent der Chemie Start-ups sind im Bereich Forschung und Entwicklung, 13 Prozent in der IT tätig.[4] Außerdem zählen 4 von 5 Chemie Start-ups große Chemie-Unternehmen zu ihren wichtigsten Kunden.[5] Das Potenzial zu mehr Gründungen wäre in Deutschland jedenfalls gegeben. Pro Jahr studieren mehr als 10.000 junge Menschen Chemie. Für eine Unternehmensgründung bringen die Studierenden optimale Voraussetzungen mit: analytisches Denken, Teamfähigkeit, eigenständiges Experimentieren und eine hohe Frustrationstoleranz.[6] Mehr junge Chemiker und Chemikerinnen von einer Gründung zu überzeugen, ist auch das Ziel der Gründerinitiative Science4Life. Von der Idee bis zum fertigen Businessplan finden Gründungsinteressierte Unterstützung in Form von Online-Seminaren, Workshops, individuellem Coaching und Zugang zu einem Netzwerk aus mehr als 300 Experten, Branchenkennern und Investoren. Chemie-Gründer können noch bis zum 8. Mai 2020 bei der Businessplanphase des Science4Life Venture Cup teilnehmen und auf Preisgelder in Höhe von insgesamt 67.500 Euro hoffen.
[1] Chemanager, https://www.chemanager-online.com/themen/strategie/deutschland-braucht-mehr-chemiestart-ups
[2] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, https://www.exist.de/DE/Campus/Gruendergeist/Im-Fokus/Branchen/Naturwissenschaft/inhalt.html
[3] Chemanager, https://www.chemanager-online.com/themen/strategie/deutschland-braucht-mehr-chemiestart-ups
[4] Forum Chemie, https://forum-startup-chemie.de/pp/_/ZEW-CWS-Innovationsindikatoren-Chemie-2019-Auszug-Chemie-Startups.pdf
[5] Chemanager, https://www.chemanager-online.com/themen/strategie/deutschland-braucht-mehr-chemiestart-ups
[6] Chemanager, https://www.chemanager-online.com/themen/strategie/deutschland-braucht-mehr-chemiestart-ups