Wie ist die Idee für Ihr Unternehmen entstanden?
Quirin Körner, Jaakko Nurkka und ich haben uns beim
Center for Digital Technology and Management (CDTM) in München kennengelernt. Das CDTM ist eine Kooperation der LMU und TU München und bietet ein Innovationszusatzstudium an. Es werden jedes Semester 25 Studenten aus einem großen, interdisziplinären Bewerberpool ausgesucht und diese arbeiten dann gemeinsam an einem Innovationsprojekt. Wir drei Gründer hatten sehr unterschiedliche Hintergründe, haben uns im Rahmen des Programms aber schnell angefreundet und durch gemeinsame Projekte gemerkt, dass wir uns als Team perfekt ergänzen. Während des gemeinsamen Auslandssemesters in Berkeley haben wir dann beschlossen zu gründen. Wir sind ohne Idee gestartet und haben uns deshalb als nächstes auf die Ideensuche begeben. Zum einen wollten wir in ein Feld gehen, in dem wir für jeden einzelnen Nutzer einen spürbaren Mehrwert generieren können. Zum anderen wollten wir in einem Bereich arbeiten, in dem man lange an einem Produkt entwickeln kann. Das hat sich in der Pflege erfüllt. Vor allem, weil der Bereich einen enormen Nachholbedarf in der Digitalisierung hat. Man kann schnell einen großen Mehrwert generieren und hat ein praktisch unerschöpfliches Potential an Neuerungen, die man in sein Produkt einfließen lassen kann.
In welchen Bereichen der Pflege findet Ihr Produkt Anwendung?
Prinzipiell konzentrieren wir uns auf die stationäre Pflege, insbesondere in Krankenhäusern. Wir befinden uns aber auch schon in Gesprächen mit Reha- und Altenpflegeeinrichtungen, da die Herausforderungen dort ähnlich sind, anders als im ambulanten Bereich. Wir haben zudem auch schon andere Prozesse neben der Pflege miteingeschlossen. Zum Beispiel wollen wir auch die Kommunikation mit dem OP, dem Transportdienst oder dem Reinigungspersonal verbessern und die einzelnen Prozesse automatisiert steuern. Wir binden aber aktuell bewusst keine Mediziner mit ein, da dies ein komplett anderes Feld mit anderen Anforderungen ist.
Wie funktioniert Ihr Produkt?
Zu Beginn unserer Gründung haben wir den roten Notfallknopf durch ein digitales Angebot ergänzt. Der Patient hat durch uns die Möglichkeit von seinem eigenen Smartphone aus mit dem Pflegepersonal zu kommunizieren. So können dann beispielsweise Anfragen nach einem Glas Wasser gestellt werden. Die App teilt dies dann einem passenden Mitarbeiter zu. So bekommt die Pflege nur die für sie passenden Aufgaben zugeteilt. Alles andere wird automatisch an das Servicepersonal weitergeleitet. Dadurch spart sich jeder Mitarbeiter einen doppelten Laufweg. Inzwischen haben wir diese Idee weiterentwickelt. So ermöglichen wir eine direktere Kommunikation zwischen den einzelnen Mitarbeitern. Wir haben einen flexiblen Aufgabendialog, mit dem wir auch gewisse Logistikprozesse ansprechen können.
Was sind Ihre zukünftigen Ziele?
Wir wollen den Personaleinsatz verbessern. Bisher arbeiten alle nach festen Schichten und nicht nach tatsächlicher Belastung. Dieses Modell wird in Zukunft, im Hinblick auf den Pflegeengpass, nicht mehr funktionieren. Daher wollen wir flexiblere Schichtmodelle ermöglichen, so dass Mitarbeiter verstärkt nach ihren Präferenzen und für auf sie angepasste Aufgaben eingesetzt werden können. Um in diesem Bereich einfacher einsteigen zu können, schauen wir uns das Thema Ausfallmanagement an. Wir wollen über sofort definierte Aufgaben dafür sorgen, dass der Ersatz nach einem Ausfall viel schneller und ohne lange Erklärungen arbeiten kann.
Kann Ihr Produkt dem Pflegenotstand in Deutschland entgegenwirken?
Ja. Natürlich können wir ihn nicht alleine lösen, aber wir können eine digitale Unterstützung für das Personal bieten. So können wir dazu beitragen einzelne Personen zu entlasten. Dadurch, dass viele Aufgaben über uns delegiert werden, können wir es den Pflegenden zudem ermöglichen, wieder mehr Zeit mit den Patienten zu verbringen und Freude an ihrem Beruf zu finden.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie bei der Grünung?
Auf der Makroebene ist es sehr schwierig als Startup im Gesundheitswesen Geld zu verdienen. Das liegt daran, wie der Markt in Deutschland finanziert ist. Viele Krankenhäuser sind an der Kante zur Profitabilität (oder dem Verlust) und man muss gut argumentieren, um seine Lösung zu verkaufen. Auch wenn diese nachweislich hilft. Das haben wir aber mit der Zeit ganz gut hinbekommen. Eine andere Schwierigkeit, vor allem bei unserer ersten Idee, war, dass wir darauf angewiesen waren, dass sowohl Pflegekräfte als auch Patienten die App nutzen. Gerade ältere Patienten sind oftmals nicht in der Lage ein solches System zu bedienen. Daher mussten wir unser Produkt weiterentwickeln, um auch in Stationen mit alten Patienten einen Mehrwert zu bieten. Eine weitere Hürde entstand durch die Datenschutzverordnung. Wir konnten letztendlich nur deshalb so schnell wachsen, weil wir keine Patientendaten verarbeiten und die Kliniken uns einsetzen können ohne dass wir in ihre IT integrieren müssen. Dies ermöglichen wir durch Pseudonymisierungen. So wissen wir nicht wer der Patient ist, sondern in welchem Bett und Raum er sich befindet, was dem Personal zur Beantwortung von Anfragen und Aufgaben ausreicht.
Was war Ihr bisher größtes Erfolgserlebnis?
Wir sind kurz vor Abschluss unserer Finanzierungsrunde. Das ist für uns der größte Meilenstein. Ansonsten war es definitiv der Moment, als wir das Produkt zum ersten Mal im Einsatz gesehen haben. Es war sehr schön zu beobachten, wie das Produkt von den Pflegern und den Patienten verwendet wurde. Ansonsten gibt es noch viele kleine Erlebnisse, die wir hatten. Aber es sind dann doch immer die großen Meilensteine, die aus einer Idee ein Unternehmen machen und dann aus einem Gründerunternehmen ein größeres Unternehmen.
Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?
Unser Grundziel war es schon immer ein cooles Unternehmen aufzubauen, dass auch der Gesellschaft etwas zurückgibt. So versuchen wir uns aktiv im Kleinen am Klimaschutz zu beteiligen, beispielsweise durch die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Verzicht innerhalb Deutschlands zu fliegen. Ansonsten soll es auch einfach Spaß machen bei uns zu arbeiten. Des weiteren wollen wir den Pflegekräften so viel Arbeit, wie nur möglich abnehmen. Konkret wollen wir aufbrechen, wie Pflegekräfte eingesetzt werden, damit mehr Zeit für die Patienten bleibt.
Was sind Ihre Tipps für andere Gründer?
Alle Aspekte der Gründung müssen gründlich durchdacht und begründet werden. Das ist etwas was man am Anfang gerne vergisst. Ein weiterer Tipp ist, mit möglichst vielen anderen Leuten über die Idee zu sprechen. Denn nur so kann man Feedback bekommen.
Über Julian Nast-Kolb:
Julian Nast-Kolb ist einer der Gründer und CEO von
Cliniserve. Er ist zuständig für den Vertrieb und die Unternehmensfinanzierung des Start-ups. Cliniserve bietet eine App, die die digitale Kommunikation zwischen Patienten und Pflege verbessert, Aufgaben des Pflegepersonals automatisiert und interne Prozesse steuert. Ziel ist es jeden Mitarbeiter spürbar zu entlasten und ihm wieder mehr Zeit für die Patienten zu geben. Zudem ist das Produkt sicher und verarbeitet keine personenbezogenen Daten der Patienten.