Im ersten Halbjahr 2022 wurde etwa 14 Prozent mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Damit stammt laut Statistischem Bundesamt knapp die Hälfte des genutzten Stroms hierzulande aus erneuerbaren Quellen. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass mehr als 50 Prozent weiterhin konventionell erzeugt werden. Start-ups bringen die notwendige Agilität und Innovationskraft auf, um den Weg für die Energie von morgen zu ebnen. Wir stellen die spannendsten Teams vor.
Energy-Sharing statt Energy-Wasting
Solaranlagen werden oftmals nicht optimal genutzt – das liegt auch daran, dass es regulatorisch technisch relativ kompliziert ist, privat erzeugten Strom zu teilen. Das Münchner Start-up
Pionierkraft hat sich die Lösung dieser Problematik zur Aufgabe gemacht und will die Energienutzung im privaten Rahmen revolutionieren. Ihre Hardware ermöglicht es, selbst erzeugte Energie aus Solaranlagen mit Nachbarhaushalten zu teilen. Dabei steuert eine elektronische Box – das Pinonierkraftwerk – den Energiefluss, erkennt Überschüsse und beliefert Nachbarhaushalte so mit Strom. Solarstrom kann so sein volles Potenzial ausschöpfen und gleichzeitig wird mehr Menschen der Zugang zu sauberer und bezahlbarer Energie ermöglicht. Das erkennen auch Medien und Investoren: Co-Founder Andreas Eberhard zählte 2021 zu den „Forbes 30 under 30“ und sammelte Ende 2021 eine Millionen Late Seed Finanzierung für den Start in Deutschland ein.
Biogas statt Erdgas
Nicht nur Solar, Wind- und Wasserkraft spielen beim Thema nachhaltige Energiegewinnung eine Rolle. Das Start-up
Reverion hat eine Technologie entwickelt, mit der Biogas in Zukunft optimal genutzt werden soll. Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien ist Biogas eine regelbare Quelle an Energie. Jedoch ist es hierzulande nicht in ausreichenden Mengen verfügbar und wird gleichzeitig ineffizient genutzt. Klassischerweise werden momentan motorbasierte Blockheizkraftwerke genutzt, die die Energie nicht optimal nutzen.
Das fünfköpfige Team um Reverion entwickelt ein neues System auf Basis von Festoxidbrennstoffzellen, das sich durch mehr Effizienz auszeichnet – bis zu 80 Prozent elektrischer Wirkungsgrad sind möglich. Würde diese Technologie in ganz Europa erfolgreich eingeführt, können alle europäischen Emissionen um 10 Prozent reduziert und die Stromproduktion aus Biogas verdoppelt werden. Das funktioniert so: Das Kraftwerk des Start-ups kann Strom aus Biogas sowie erneuerbare Gase aus Strom erzeugen. Darüber hinaus ist das System in der Lage, reines CO2 abzuscheiden und der Atmosphäre zu entziehen. Im Juni 2022 erhielt das Start-up eine Seed-Finanzierung in Höhe von gut 7 Millionen Euro.
Luft als Energiespeicher
Mit dem Thema Energie speichern setzte sich auch die Gründer von
phelas auseinander. Das Team ermöglicht die künftige Nutzung von Solar- und Windstrom auch dann, wenn die Sonne nicht scheint, der Wind nicht weht und zudem keine Atom- oder fossilen Kraftwerke zur Verfügung stehen. Der Schlüssel: Umgebungsluft als Speichermedium. Diese wird verflüssigt und die Energie dabei gespeichert. Dazu verdichtet ein Kompressor im ersten Schritt die Luft. Dabei entsteht Wärme, die in einem speziellen Speicher für den Rückverstromungsprozess vorgehalten wird. Im flüssigen Zustand kann die Luft bis zu mehrere Wochen gespeichert werden. Wird der Strom dann gebraucht, wird die Luft erwärmt und verdampft. Hierfür wird ihr Wärme aus dem internen Wärmespeicher zugeführt. Bei der Verdampfung der Luft schließlich entsteht ein starker Druck, der eine Turbine zur Stromerzeugung antreibt. Die bei der Verdampfung entstehende Kälte wird zudem in einem eigenen Kältespeicher eingespeist und kann dann für den nächsten Einspeicherungszyklus zur Verflüssigung der Luft genutzt werden. Im August 2021 schloss phelas erfolgreich ihre Pre-Seed Finanzierung in Höhe von 600.000 Euro ab.
Umfangreiche Aufklärung und effiziente Planung
Aufklärung ist der erste Schritt zu mehr Nachhaltigkeit – das gilt auch für Solaranlagen. Die Gründer von
everyone energy erkannten hier eine Marktlücke. Wie der Name schon verrät, möchte das Start-up so vielen Menschen wie möglich den Zugang zu umweltfreundlichen Energien ermöglichen. Dies realisiert das Team durch eine digitale Energieberatung, die Endkunden und Lösungsanbieter gezielt zusammenbringt. Im Zuge der Beratung werden viele Faktoren – wie die Größe und Ausrichtung eines Daches bei Solarprojekten – vollautomatisch erfasst. So hilft das Berliner Jungunternehmen dabei, Tausende Energieprojekte zu realisieren.
Wenn es anstelle von Privathaushalten um Unternehmen, Stromversorger oder sogar ganze Städte geht, hilft greenventory dabei, die beste Lösung zu finden. Das Team bietet Energieversorgern und Netzbetreibern eine datengetriebene Unterstützung zur Identifizierung, Planung und Umsetzung von Energieprojekten in Kommunen, Städten und Quartieren. Sie analysiert Daten aus Gebäuden, Netzen und sogar ganzen Regionen, um eine Basis für effiziente Energieprojekte zu schaffen. Den Stadtwerken Stuttgart, der Stadt Staufen und vielen anderen konnte greenventory bereits helfen, die Energiewende voranzutreiben.
Diese Start-ups sind lediglich fünf unter unzähligen Green-Techs, die mit ihren innovativen Ideen die Energiewende vorantreiben. Laut Deutschem Start-up-Monitor geben 42,8 Prozent der Deutschen Start-ups an, dass ihre Produkte und Dienstleistungen sich der Green Economy zuordnen lassen – rund 860 der befragten Jungunternehmen. Jetzt gilt es, mit ausreichend politischer, finanzieller und strategischer Unterstützung diese Ideen weiter voranzutreiben, sodass die Wirtschaft in den kommenden Jahren nicht nur nachhaltiger, sondern im Idealfall klimaneutral agieren kann.